Urlaub ohne Koffer – Unsere Sommerserie mit Ausflugszielen: Ein Denkmal für den „ungekämmten garst’gen“ Jungen: das Struwwelpeter Museum
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In unzähligen Kinderzimmern auf der ganzen Welt steht er in den Bücherregalen: der Kinderbuchklassiker „Der Struwwelpeter“. Doch zuhause ist der berühmte „ungekämmte garst’ge“ Junge in Frankfurt. Ein eigenes Museum ehrt ihn und seinen Erfinder, den Frankfurter Arzt Dr. Heinrich Hoffmann (1809-1894): Seit 2019 hat das Struwwelpeter Museum in der Neuen Altstadt eröffnet, dem wir heute in unserer Reihe „Urlaub ohne Koffer“ einen erlebnisreichen Besuch abstatten.
Wir schreiben das Jahr 1844. Es ist ein bitterkalter Dezember. Schon den ganzen Monat hindurch herrschen Minusgrade. Weihnachten steht vor der Tür. Heinrich Hoffmann ist verzweifelt auf der Suche nach einem geeigneten Bilderbuch, das er seinem dreijährigen Sohn Carl unter den Tannenbaum legen kann. Schließlich ist der bekannte Frankfurter Arzt ein fürsorglicher Vater, will sich seinem Sohn besonders widmen, nachdem die Familie gerade Nachwuchs bekommen hat: Tochter Lina ist erst wenige Tage alt. Aber der damals 35-Jährige findet einfach kein überzeugendes Kinderbuch, das viele Bilder und wenig Text hat. Also macht sich der junge Vater selbst ans Werk, greift zu Tusche, Tinte und Feder, zeichnet und reimt. Heraus kommt „Der Struwwelpeter oder lustige Geschichten und drolligen Bilder für Kinder von drei bis sechs Jahren“. An Heiligabend ist das Bilderbuch fertig. Doch nicht nur Sohn Carl ist begeistert, sondern auch Hoffmanns Freund, der Verleger Zacharias Löwenthal. Er erkennt darin einen neuen Typus Kinderlektüre: das erzählende Bilderbuch. Löwenthal veröffentlicht den Band.
Knapp 180 Jahre später ist der Erfolg des Struwwelpeter ungebrochen. In unzähligen Kinderzimmern steht das Buch, abgegriffen vom vielen Vorlesen. Erwachsene können noch nach etlichen Jahren Passagen auswendig aufsagen. In mehr als 45 Sprachen ist der Struwwelpeter übersetzt. Zahlreiche Exemplare können Interessierte im Struwwelpeter Museum entdecken. Nach mehr als 40 Jahren im Westend befindet sich das Museum seit 2019 in der Neuen Frankfurter Altstadt am Hühnermarkt. Nur wenige hundert Meter von hier entfernt schuf der vielseitige Arzt Heinrich Hoffmann (1809-1894) den heute weltbekannten Klassiker der Kinderliteratur. Zwei schöne Fachwerkgebäude sind nun seinem Werk gewidmet, der nicht nur der Erfinder des „ungekämmten garst’gen“ Jungen, sondern auch Reformer der Frankfurter Psychiatrie war.
In der Dauerausstellung des Struwwelpeter Museums sind Porträts, Briefe, Skizzen und Erstausgaben aus dem Nachlass von Heinrich Hoffmann zu sehen, die ihn als Autor und Illustrator, Psychiatriereformer, politisch interessierten Bürger, liebevollen Familienvater und überzeugten Frankfurter präsentieren. Medienstationen bieten eine zusätzliche Ebene mit Bild- und Textinformationen zur Biedermeierzeit, zu den Hintergründen der Struwwelpeter-Geschichten, zur Psychiatriegeschichte sowie zu Hoffmanns politisch-literarischem Netzwerk.
Nicht nur Kinder können in die zeitlosen Geschichten auf einem Spiele-Pfad eintauchen oder sie an den Geschichten-Inseln mit digitalen und Hands-on-Spielen entdecken. Die Theaterecke mit Kostümen zum Verkleiden bietet Gelegenheit für Selfies und Kreativität. Auf einer Bühne dürfen Kinder ihre Neuinszenierungen der alten Geschichten im Stegreiftheater präsentieren. Aktionstische mit Mal- und Bastelangeboten laden zum Ausprobieren ein.
Die Museumsgestaltung präsentiert den Struwwelpeter als lustig, kraftvoll, lebendig, rebellisch und widerspenstig. Ausgestanzte Figuren stärken den Blick auf das Detail. Sichtbar wird so die Widerspenstigkeit der Figuren aus dem Struwwelpeter. Sie wirbeln die geordnete, brave Welt des Biedermeier kräftig durcheinander. Im Foyer kommen Struwwelpeter, Hanns Guck-in-die Luft und Paulinchen als große, leuchtende Figuren buchstäblich aus der Wand. Die Figuren und die mit ihren Geschichten verbundenen zeitlosen, weltweit verständlichen Themen wie Rebellion, Rassismus und Tierschutz eignen sich für partizipative und interkulturelle Projekte. Bis heute können sich viele Kinder in den Figuren wiederfinden, wie beim Zappelphilipp, der ständig auf dem Stuhl schaukelt, und Suppen-Kaspar, der das Essen verweigert. Doch trotz dieses Wiedererkennungswertes empfinden Kinder die Geschichten des Struwwelpeters nicht als wahr, erklärt die Leiterin des Museums, Beate Zekorn-von Bebenburg. Kinder würden das übertreibende Element, das aus heutiger Sicht Comichafte, an den Bilder-Geschichten durchschauen. Trotzdem sind die dramatisch und spannend erzählten Geschichten komisch und unterhaltsam, aber auch lehrreich: Etwa wenn der Schneider mit einer übergroßen Schere Konrad die Daumen abschneidet, weil er an ihnen gelutscht hat. Hoffmann verfolgte dabei eine erzieherische Absicht: Unter den hygienischen Bedingungen seiner Zeit muss ihm das Daumenlutschen ein Gräuel gewesen sein, sagt die Museumspädagogin. Übrigens waren Hoffmanns Geschichten und Gestalten nicht völlig aus der Luft gegriffen: Manche der Figuren waren am Krankenbett entstanden, um die Kinder zu beruhigen. Mit schnellen Strichen hatte er auch die Geschichte von einem Jungen entwickelt, der sich weder Haare noch Fingernägel schneiden lassen will. Das Bild des Widerspenstigen setzte Hoffmann ans Ende seines Weihnachtsheftes: Der Struwwelpeter war geboren.
Sonja Thelen, Unternehmenskommunikation
Infobox:
Adresse: Hinter dem Lämmchen 2-4, 60311 Frankfurt
Telefon: 069 9494767400
E-Mail: info@struwwelpeter-museum.de
Internet: struwwelpeter-museum.de
Öffnungszeiten: Di-So 11 bis 18 Uhr
Eintrittspreise: Kinder bis 6 Jahre frei, Erwachsene 7 Euro, ermäßigt 3,50 Euro
Anfahrt ÖPNV: U-Bahnen U4, U5 Dom/Römer; Tram 11, 12, 14 Römer/Paulskirche
Anfahrt mit dem Pkw: Parkhaus Dom Römer, Domstraße 1