Forschen, fragen, experimentieren

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19.01.2023

Die Lernwerkstatt in der Kita Inselstrolche regt die Neugier und zum Ausprobieren an

Der Fünfjährige N. kniet auf dem weichen Boden. In der rechten Hand hält er einen Holzhammer, mit der linken Hand fixiert er das Holzbrett, in der er mit ruhigen Bewegungen in eine ausgesägte Ecke einen Nagel einschlägt. Als er merkt, der Nagel wird schief, holt er sich – clever wie er ist – einen Nussknacker und nutzt diesen wie eine Zange. Immer wieder sucht er nach neuen Lösungen und ist dabei in sein Tun so vertieft, dass er die anderen Kinder um sich herum nicht wahrnimmt. Mit seinem Zangenersatz schiebt N. den Nagel wieder in eine aufrechte Position und haut ihn langsam so weit in das Brett hinein, wie er es braucht. Als er fertig ist, betrachtet der Fünfjährige zufrieden sein Werk. Schließlich hat er für sich und sein Problem eine Lösung gefunden, nachdem er sich über eine lange Zeit mit seinen Forscherfragen beschäftigt hat.

Regelmäßig hat der Junge zusammen mit den anderen Kindern aus der Kindertagesstätte Inselstrolche in Eschborn die Möglichkeit, in der Lernwerkstatt seiner Neugier, seinem Forschergang und Experimentierfreude nachzugehen und auszuleben. Dort redet kein Erwachsener den Kindern rein, was sie zu tun und zu lassen haben, wie sie den Hammer, die Säge oder den Stift halten oder womit sie sich beschäftigen sollen. Vielmehr sollen sie einfach ausprobieren, wonach ihnen der Sinn steht und worauf sie Lust haben. Die Lernwerkstatt liefert ihnen die Anregungen und schafft den Rahmen, um dem neugierigen Drang nach Wissen und Neuem freien Lauf zu lassen. „Die Kinder sollen einfach unbefangen nach ihren Interessen die Welt für sich entdecken. Sie können mit Stiften herumhantieren, mit den Baukästen, mit dem Holz experimentieren. Egal was. Wir geben nichts vor, wir schreiben nichts vor. Wir sind dabei, beobachten und unterstützen die Kinder, wenn sie zu uns kommen, Hilfe möchten oder Antworten auf Fragen erwarten“, umreißt Christina Putzer, Leiterin der Inselstrolche, das Konzept der Lernwerkstatt, die sie mit ihrer Stellvertreterin Jeanette Helfenbein leitet: „Wir als Erwachsene begleiten die Kinder beim Forschen, Entdecken und Experimentieren.“

Seit 2009 ist Christina bei den Inselstrolchen, zunächst als stellvertretende Leiterin, seit 2014 als Leiterin. Beeindruckt von dem „Weltentdecker-Konzept“ der Arbeiterwohlfahrt, das sie bei einer Fortbildung kennengelernt hatte und ihr sehr zusagte, ergriff sie 2010 die Initiative in ihrer Wirkungsstätte mit der Lernwerkstatt ein ähnliches Konzept umzusetzen.

Eingerichtet ist die Lernwerkstatt nun im oberen Stockwerk der Deutschen-Bank-Betriebs-Kita in Eschborn. Noch. Denn Ende Juli 2023 muss die Kita schließen, weil die Deutsche Bank den Standort aufgibt. Anlass genug, sich vor Ort ein Bild von diesem praxisnahen pädagogischen Ansatz zu machen. Zudem suchen Christina und Jeanette für ihre Lernwerkstatt eine gemeinsame neue Heimat, wo sie beide weiterhin dieses Angebot machen können. „Wir möchten das Konzept gerne anderen BVZ-Einrichtungen zugänglich machen sowie für alle BVZ-Altersgruppen öffnen“, betont das Lernwerkstatt-Team.

Während sich die eigentlichen Gruppenräume im Erdgeschoss der weitläufigen Kindertagesstätte befinden, wurde die Lernwerkstatt im ersten Stock in einem geräumigen Raum eingerichtet. Am Eingang befindet sich zunächst ein Rund mit Sitzkissen um bunt geschmückte Zweige. Dahinter schließt sich eine Kuschelecke zum Schmökern an. Die eigentliche Lernwerkstatt unterteilt sich in verschiedene Experimentier- oder Lernstationen. An der einen können die Kinder mit Kreide auf Schiefertafeln malen oder schreiben. An anderen können die Kids kleine physikalische Experimente erleben, sich mit der Welt der Zahlen oder der Buchstaben befassen. Den Themen Zeit, Zahnpflege oder Konstruktion widmen sich weitere Bereiche. Und viel Platz räumt die Holz-Werkstatt den Jungen und Mädchen ein.

An diesem Morgen sind Christina und Jeanette mit einer fünfköpfigen Kindergruppe in der Lernwerkstatt. Die sechsjährige S. hat sich mit Körnern gefüllte Glasröhrchen auf den Tisch bereitgestellt, misst ab, mischt, schüttet die Kerne um in andere Gefäße und zerkleinert einige im Mörser. J. hat sich derweil ein Holzbrett aus dem Regal geholt und eine kleine Dose mit verschiedenfarbigen Gummis. Auf dem Brett sind Nägel eingeschlagen. Der Junge nimmt sich die Gummis und spannt diese mal als Recht- oder als Dreiecke auf dem Brett. „Ich mag solche Formen“, erzählt er und macht sich auf zur Holzwerkstatt, wo zwei andere Kinder schon eifrig am Werkeln sind. Während das Mädchen aus zwei Seitenteilen und einem Brett ein Häuschen zusammennagelt, hat sich ihr Freund die Säge und ein dickeres Brett geschnappt. Doch schon merkt er, dass er ohne weitere helfende Hände nur schwer ein Teil absägen kann. Also bittet er Jeanette, das Brett stabil zu halten, während er selbst das benötigte Stück absägt. „Auch wenn die Kinder hier mit Werkzeug hantieren, ist es wichtig und vertrauensbildend, das zuzulassen, ohne dass wir eingreifen“, meint Jeanette. Denn nur so können sie ihren Forschergeist ausleben, entdecken, was ihnen gefällt, woran sie Spaß haben, ihre Fähigkeiten testen und auch Stück für Stück verbessern, ergänzt Christina: „Das ist für sie ein sehr wertvolles Lernen und Erfahren.“ Auch für die pädagogischen Fachkräfte, die die Kinder oft aus einer neuen Perspektive wahrnehmen, mit ihnen neue Erfahrungen machen und lernen, zu welchen Leistungen sie fähig sind. „Für uns als Pädagogen ist das auch ein Gewinn, auch in der Haltung mit und zum Kind. Wir sind die Rahmengeber und Unterstützer, sind Lehrende und Lernende zugleich“, betont die Kita-Leiterin.

Sonja Thelen, Unternehmenskommunikation

Fotos: Sonja Thelen